Organisationsgestaltung vs. Organisationsentwicklung: Wo liegt der Unterschied?
Gestaltung ≠ Entwicklung. Wer den Unterschied versteht, entscheidet und gestaltet bewusster.
In meinem vorigen Beitrag habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, ob Organisationsgestaltung die am meisten unterschätzte Aufgabe von Führung ist.
Bei Organisationsgestaltung und Organisationsentwicklung handelt es sich um zwei Seiten derselben Medaille.
Organisationsgestaltung | Organisationsentwicklung | |
---|---|---|
Ziel | Gestaltung einer Architektur des Zusammenwirkens | Gestaltung des sozialen Miteinanders |
Fokus | Schaffen von Rahmenbedingungen | Verhalten von Menschen innerhalb der Rahmenbedingungen |
Gestaltungsebenen | Formelle Strukturen | Soziale Dynamiken & Kultur |
Gestaltungsobjekt | Organisation als System | Organisation als soziales Gefüge |
Durch die Kombination entfalten beide Ansätze ihr volles Potenzial und schaffen die Grundlage für nachhaltige Veränderung.
Beide Ansätze wurden lange getrennt voneinander betrachtet.
Organisationsgestaltung ist von der Managementlehre geprägt und Strukturfragen gelten als „Managementthema“. Organisationsentwicklung ist hingegen tief in der Psychologie und den Verhaltenswissenschaften verankert und wird in der Praxis häufig an HR delegiert.
Es findet langsam ein Umdenken statt. Die Einsicht wächst, dass eine einseitige Betrachtung nicht zu den gewünschten Veränderungen führt.
Organisationsentwicklung: Die wirksame Gestaltung von Zusammenarbeit und Veränderung
Organisationsentwicklung ist ein systematischer Ansatz, der die bewusste, verhaltenswissenschaftlich fundierte Arbeit an individuellen und organisatorischen Prozessen umfasst. Es geht um die Entwicklung von Effektivität im Zusammenwirken von Mensch und Organisation.
Sie zielt darauf ab, die Zusammenarbeit, Kommunikation, Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft von Menschen, Teams und Organisationseinheiten dahingehend zu entwickeln, dass die Organisation als Ganzes wirksamer agieren kann. Insbesondere im Umgang mit Veränderung, Konflikten und Komplexität.
Dazu gehören:
- Die Weiterentwicklung von Leadership-Fähigkeiten.
- Die Begleitung von Lern- und Transformationsprozessen auf individueller, team- oder organisationaler Ebene.
- Die Reflexion und Veränderung von Verhaltensmustern, Haltungen und Rollenverständnissen.
- Die Stärkung von Teamdynamiken.
- Die Arbeit an der Organisationskultur, die beschreibt wie das Unternehmen „tickt“.
Im Unternehmensalltag zeigen sich die Verhaltensweisen der Mitglieder darin, wie Führung wahrgenommen wird, wie Entscheidungen getroffen und Konflikte gelöst werden.
Organisationsentwicklung macht diese Muster sichtbar und ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit.
Organisationskultur: Wie sie das Unternehmen prägt
Der Begriff Organisationskultur wurde von Edgar Schein geprägt, der sie wie folgt definiert:
„Ein Muster gemeinsamer grundlegender Annahmen, das eine Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme der äußeren Anpassung und der inneren Integration erlernt hat und das sich bewährt hat, sodass es als gültig angesehen und an neue Mitglieder als der richtige Weg, in der Organisation zu denken, zu fühlen und zu handeln, weitergegeben wird.“
Kernelemente von Organisationskultur
1. Grundlegende Annahmen
- Tief verankerte, meist unbewusste Überzeugungen und Denkweisen (mentale Modelle)
- Entstehen aus gemeinsamer Erfahrung und Problemlösung
2. Lernen durch Erfahrung
- Kultur entsteht durch gelebte Praxis und bewährte Verhaltensmuster
3. Weitergabe an neue Mitglieder
- Neue Mitarbeitende übernehmen unbewusst, „wie man Dinge hier macht“
4. Externe und interne Herausforderungen
- Kultur hilft bei der Anpassung an die Umwelt (z.B. Kunden, Markt, Lieferanten) und bei der Integration innerhalb der Organisation (z.B. Zusammenarbeit, Veränderung)
Organisationskultur ist ein umfangreicher Bereich, der sowohl sichtbare Aspekte wie Werte und Normen als auch unsichtbare zugrundeliegende Annahmen, einschließlich mentaler Modelle umfasst. Damit setzt sich Organisationsentwicklung auseinander.
Der Einfluss von Kultur wird in der Praxis sichtbar: Strukturelle Veränderungen laufen ins Leere, wenn sie nicht von den Menschen mitgetragen werden. Umgekehrt bewirken auch die besten Werteformulierungen wenig, wenn sie im Alltag nicht gelebt und durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt werden.
Organisationskultur: Ein zentraler, aber nur bedingt gestaltbarer Faktor
Organisationskultur kann nicht direkt gestaltet, aber auf bestimmte Weise beeinflusst werden.
Sie ist eine emergente Eigenschaft von Organisationen, die aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Aspekte, wie gelebtem Verhalten, gemeinsamen Erfahrungen, Routinen und organisationalen Rahmenbedingungen, entsteht. Diese Eigenschaften können nicht einzelnen Elementen oder Mitgliedern zugeschrieben werden.
Projekte, die sich mit Kultur, Vision, Mission, Werten befassen, sind wichtig für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Wenn jedoch die strukturelle Verankerung fehlt und Führungskräften und Mitarbeitern nicht die Rahmenbedingungen geboten werden, die das gewünschte Verhalten fördern, lässt ihre Wirkung schnell nach.
Dieser Aspekt ist vielen Führungskräften nicht bewusst.
Eine Veränderung der Organisationskultur erfordert ein Zusammenspiel aus:
- Struktureller Gestaltung (Organisationsgestaltung)
- Führungsverhalten
- und Ermöglichung neuer Erfahrungen im Alltag
Kultur kann sich nur dann allmählich verändern, wenn Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das gewünschte Verhalten fördern und ermöglichen.
Wie das Unternehmen letztendlich „tickt“, entscheidet sich nicht in Leitbildern, sondern im gelebten Alltag.
Warum das Zusammenspiel von Architektur und Verhalten wichtig ist
Organisationen konzentrieren sich oft entweder auf die strukturelle oder die kulturelle Ebene, verbinden jedoch selten beide systematisch miteinander.
Führungskräfte spielen hier eine entscheidende Rolle. Sie sind nicht nur verantwortlich für die Gestaltung wirksamer Rahmenbedingungen, sondern prägen durch ihr Verhalten und ihre Entscheidungen die Organisationskultur maßgeblich mit.
Das wirksame Zusammenspiel zwischen Architektur und Verhalten ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Organisation.
- Arbeit an der Architektur des Unternehmens bringt wenig, solange sich das Verhalten der Menschen nicht ändert.
- Arbeit am Verhalten der Menschen bringt wenig, solange sich die Rahmenbedingungen nicht verändern.
Wirksame Organisationsgestaltung berücksichtigt daher nicht nur die Architektur - das „Was“, sondern vor allem auch das Verhalten - das „Wie“ der Zusammenarbeit. Sie schafft Fokus,Klarheit und damit Orientierung für Menschen und Organisation zugleich.
So wird Organisationsgestaltung zum ganzheitlichen Ansatz, der Organisationsentwicklung integriert.
Fazit und Ausblick
Ganzheitliche Organisationsgestaltung bedeutet, eine tragfähige Architektur zu schaffen, in der Menschen Verantwortung übernehmen, sich entwickeln und wirksam zusammenarbeiten können.
Stoßen Sie in Ihrem Unternehmen mit kulturellen Initiativen an Grenzen, weil sich am Verhalten wenig ändert? Oder verpuffen strukturelle Veränderungen, weil die Menschen nicht mitgenommen werden?
Dann lohnt es sich, beide Dimensionen gemeinsam zu betrachten.
Wenn Sie Fragen haben oder konkrete Unterstützung benötigen, lassen Sie uns darüber sprechen.
Im nächsten Beitrag erfahren Sie, warum ganzheitliche Organisationsgestaltung der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens ist.