Strategie scheitert am Organisationsdesign und HR bezahlt den Preis

Strategie scheitert am Organisationsdesign und HR bezahlt den Preis


HR soll strategisch arbeiten. Gleichzeitig fehlt der Funktion genau das Fundament, das strategisches Arbeiten erst möglich macht: Klarheit über das Organisationsdesign.


Die HR-Funktion ist in vielen Unternehmen ähnlich organisiert. Dies hängt mit ihrem Betriebsmodell (Operating Model) zusammen, das auf Rollen aufgebaut ist.


Die zentrale Frage: Wie würde HR funktionieren, wenn Unternehmen die Funktion aus Sicht eines Product Managers konzipieren würden? Diese Frage beschäftigt mich seit längerem.


HR steht heute an einem Punkt, an dem kosmetische Anpassungen (wie die Umbenennung in „People & Culture“) nicht mehr ausreichen. Um die Ausrichtung von HR neu zu denken, hilft es, mit Designkriterien zu arbeiten. Einem Ansatz, der aus dem Product- und Servicedesign stammt, aber ebenso für die Organisationsgestaltung relevant ist.


Lass uns diesen Weg gemeinsam gehen und anhand von 5 Designkriterien eine zukunftsfähige HR-Funktion definieren (HR 5.0).


Designkriterien für HR 5.0


Designkriterien beschreiben in kurzen Sätzen über welche Eigenschaften die zukünftige Organisation - in unserem Fall HR - verfügen soll. Sie geben einen klaren Rahmen vor und unterstützen bei der Entscheidungsfindung für das passende Organisationsdesign.



1. Datenbasierte Entscheidungen

HR nutzt sytematisch zuverlässige und relevante Daten als Grundlage für dateninformierte Entscheidungen. Kennzahlen, Musteranalyse und prädiktive (voraussschauende) Modelle unterstützen die Ableitung von Maßnahmen, erhöhen deren Wirksamkeit und ermöglichen eine weitgehend objektive, nachvollziehbare Entscheidungsfindung.


2. Kontinuierliche Verbesserung (Testen & Iteration)

HR-Prozesse und -Services werden kontinuierlich überprüft und optimiert. Durch regelmäßige Tests, Feedbackschleifen und Benchmarking entsteht ein lernendes System, das Ineffizienzen erkennt und Anpassungen schnell umsetzt.


3. Radikale Priorisierung (Fokus auf Impact)

HR arbeitet mit einer klaren Ziel- und Prioritätenstruktur. Strategisch wichtige Themen, Ressourcen und Initiativen werden identifiziert und fokussiert. Dies gewährleistet, dass Entscheidungen konsistent, nachvollziehbar und zielorientiert getroffen werden können.


4. Impact-Messung als Goldstandard (Daten & Wertschöpfung)

HR-Initiativen werden hinsichtlich ihres erwarteten und tatsächlichen Nutzens bewertet. KPIs, Wirkungsanalysen und regelmäßige Erfolgskontrollen stellen sicher, dass Maßnahmen einen messbaren Beitrag zur Wertschöpfung und zu den Unternehmenszielen leisten.


5. Stakeholder-zentriertes Service Design

HR-Services, Richtlinien und Systeme orientieren sich konsequent am Bedarf der Gesamtorganisation und deren Stakeholder. Mehrwert, Zusammenarbeit und Zukunftsfähigkeit stehen im Zentrum.


Nachdem jedes Unternehmen unterschiedliche Anforderungen an die HR-Funktion hat, können die Designkriterien variieren.

Was das für HR bedeutet


Eine nach diesen Designkriterien gestaltete HR-Funktion stellt neue Anforderungen:


  • an das Betriebsmodell (Operating Model)
  • an die Teamzusammenstellung
  • an die Software und Datenarchitektur
  • an das Kompetenzprofil (Fähigkeit, mit Systemen und Daten zu arbeiten)


Es ist ein grundlegendes Überdenken der gesamten HR-Funktion.

Warum es sinnvoll ist, HR neu zu denken


Das klassische HR-Betriebsmodell ist in die Jahre gekommen.


Die Umbenennung in “People & Culture“ hat an der Funktionsweise wenig verändert und es wird so bleiben, solange das zugrundeliegende Design gleich bleibt.


HR konnte lange Zeit unter weitgehend stabilen Rahmenbedingungen arbeiten:


  • ausreichende Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte
  • weitgehend stabile Märkte
  • längere Strategiezyklen


Doch diese Welt existiert nicht mehr. Heute sehen wir:


  • angespannte Arbeitsmärkte und volatiles Kandidaten-Verhalten
  • steigende Fluktuationsraten
  • kompliziertere und digitale Geschäftsmodelle
  • Know-how Träger verlassen das Unternehmen, oft überraschend



Viele HR-Teams sind mit diesen Herausforderungen überfordert und geraten unter Druck. Und Unternehmen riskieren, dass ihre Geschäftsfähigkeit darunter leidet.

Strategische Personalplanung & Szenario Management


Für zunehmend mehr Rollen wird es schwieriger, in angemessener Zeit passende Kandidaten zu finden.


Deshalb müssen Unternehmen lernen, in längeren Zeiträumen zu denken. Strategische Personalplanung ist ein Instrument zur Sicherung der Geschäfts- und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. 


Sie beantwortet Fragen wie:


  • Welche Rollen werden verschwinden, sich verändern und welche neu entstehen?
  • Welche Kompetenzen benötigen wir in welchem Umfang in den kommenden 2-5 Jahren?
  • Wer sind unsere wahren Know-how Träger und welche Risiken entstehen, wenn sie das Unternehen verlassen?
  • Welche Trends sind für das Unternehmen relevant und welche Auswirkungen haben diese auf die Zusammensetzung unserer Personalstruktur?
  • Welche Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung, derartige Herausforderungen zu bewältigen?


Die Welt verändert sich in zunehmendem Tempo. Um damit besser zurechtzukommen, ist Szenarioplanung ein wirksames Tool. Dadurch erkennen Unternehmen, mit welchem Szenario sie gerade konfrontiert sind und welche Maßnahmen bereits vorbereitet wurden.


Szenarien ermöglichen:


  • eine schnelle Standortbestimmung
  • strategische Risiken sichtbar zu machen
  • schnellere Reaktionsfähigkeit bei veränderten Rahmenbedingungen


Damit strategische Personalplanung und Szenario Management ihre Wirksamkeit entfalten, sind eine regelmäßige Überprüfung, sowie Feinjustierungen notwendig.

Organisationsdesign als wichtiger Input für HR


Das Organisationsdesign des Unternehmens bestimmt, welche Strategien verfolgt werden können.


Nicht die Strategie formt die Organisation, sondern die Organisation bestimmt, welche strategischen Optionen verfolgt werden können. Diese Tatsache ist vielen Unternehmen nicht bewusst und ist einer der Gründe, warum nur ein geringer Anteil ausgearbeiteter Strategien umgesetzt werden (können).


Die Schnittstelle zwischen Strategie | Organisation | HR   beobachte ich seit Jahren und diese wird entscheidend für die Zukunft von HR.


Organisationsgestaltung ist der Ansatz, durch den das Organisationsdesign definiert wird. Durch das Organisationsdesign wird ersichtlich, welche Jobarchitektur, Systeme, usw. benötigt werden.


Für HR sind diese Inputs essentiell, weil das Unternehmens erst dadurch handlungs- und geschäftsfähig wird. 


Fehlt dieser Referenzrahmen, steigt das Risiko, dass HR seinen Aufgaben nicht nachkommen kann und reaktiv bleiben wird.

Organisationsgestaltung als Superkraft von HR


Organisationsgestaltung ist die am meisten unterschätzte Hauptaufgabe von Führung und von HR.


Organisationsgestaltung beschäftigt sich damit, wie Systeme funktionieren und in ihrer Gesamtheit zusammenwirken (Systemisches Denken). Die Wirksamkeit der gesamten Organisation wird dadurch bestimmt, wie die Teile jedes Systems zusammenwirken. 


HR kann von diesem Ansatz enorm profitieren, weil er:


  • systemisches Denken fördert (von Reduktionismus hin zu Holismus)
  • Ursache-Wirkungs-Beziehungen sichtbar macht
  • das Verständnis für Zusammenhänge schärft


Wenn HR ihren Fokus von der Aufbau- (Hierarchie) und Ablauforganisation (Prozesse) abwendet und die Energie mehr auf Arbeit und das Gesamtsystem   lenkt, verändert sich die Rolle und Wahrnehmung der gesamten Funktion.


Schlichtweg weil durch Organisationsgestaltung in Kombination mit Systemdenken bessere Gesamtsysteme entstehen, wovon alle internen und externen Stakeholder profitieren.


Jedes System verhält sich nach den Prinzipien, nach denen es gestaltet wurde. Fehlt grundlegendes Wissen wie Organisationen funktionieren, entstehen dysfunktionale Systeme, die Ursache vieler Probleme mit denen Unternehmen konfrontiert sind.


HR ist eine Schnittstellenfunktion bei der viele Fäden zusammenlaufen. Je besser HR-Mitarbeiter mit Organisationsgestaltung vertraut sind, desto mehr kann HR ihren Aufgaben nachkommen.

Warum Grenzen wichtig sind


Grenzen sind wichtig und sie sorgen für Klarheit.


Diese Klarheit fehlt in vielen Unternehmen. Besonders hinsichtlich des Verantwortungsbereichs von HR:


  • Welchen Mehrwert liefert HR?
  • Wo beginnt und wo endet die Verantwortung von HR?
  • Welche Abhängigkeiten und Schnittstellen existieren?
  • Welche Kennzahlen sind wichtig und in welchem Zusammenhang stehen sie zu den anderen Unternehmenskennzahlen?
  • Welche Tools stehen HR zur Verfügung?



Das sind Fragen, die jede Funktion (nicht nur HR) beantworten können muss.

Modularität um mit Komplexität umzugehen


Modularität ist ein erprobter Ansatz, um mit Komplexität umzugehen.


eginnt man damit, die HR-Funktion modular zu denken entsteht ein völlig neues Bild. An die Stelle einer monolithischen HR-Abteilung mit ihren Rollen tritt ein System aus klar definierten Modulen, die wie Produkte funktionieren:


  • Jedes Modul (z.B. Talent Acquisition, Learning & Development, Compensation & Benefits) wird als Service bzw. Produkt mit einer klaren Value Proposition (Nutzenversprechen) und definierten Kunden (Führungskräfte, Mitarbeitende) konzipiert.
  • Aus den angebotenen Services ergeben sich die Arbeitsinhalte, erforderlichen Kompetenzen und die Anforderungen an die Software-Landschaft.


Zur Unternehmenssteuerung liefert HR die erforderlichen Datensätze und Analysen, wodurch sie zu einer Intelligence-Funktion wird. Die Klarheit von Abhängigkeiten und Schnittstellen ermöglicht schnelle, fokussierte Anpassungen, um unerwünschten Nebenwirkungen auf das Gesamtsystem vorzubeugen.


Klarheit und Fokus sind für Unternehmen wichtiger denn je und Modularität ist ein spannender Ansatz, mit Komplexität und Unsicherheit besser zurechtzukommen.

Fazit und Ausblick


Wenn HR beginnt, mit Designkriterien zu arbeiten und ihren Fokus auf Impact auszurichten, entsteht eine völlig andere Funktion:


  • zukunftsfähig
  • dateninformiert
  • systemisch denkend
  • auf Wertschöpfung fokussiert


Organisationsgestaltung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Frage ist nur, ob HR dazu bereit ist, sich von Grund auf neu zu erfinden. Denn diese Transformation erfordert nicht nur neue Prozesse, sondern vor allem ein fundamentales Umdenken in der Kompetenz und Haltung der gesamten Funktion. Einige Unternehmen haben damit bereits begonnen.